Planwerk
Die rasante Entwicklung der Industrie und das oft ungeplante und unkontrollierte bauliche Wachstum der Städte im Ruhrgebiet hatte in den 1920er Jahren zu gravierenden Verkehrsproblemen und vielerorts zu prekären Lebensbedingungen geführt. Zudem mangelte es häufig an Erholungsmöglichkeiten für die Bevölkerung. »Nun beginnt eins das andere zu stören. Stadtgarten stößt an Zeche, Wohnhaus an Fabrik, jede ordnende Hand fehlt. (…) Es muss Plan in die Entwicklung kommen«, so forderte der Stadtplaner Philipp Rappaport 1926.
Die Planungsprozesse sollten rationalisiert werden, um städtebauliche Entwicklungen langfristig zu planen und geordnet umsetzen zu können. Unter der Leitung des Verbandsdirektors Robert Schmidt (1869 – 1934) und seines Ersten Beigeordneten Philipp Rappaport (1879 – 1955) entwickelte der SVR als öffentlich-rechtliche Institution in den 1920er Jahren das administrative Instrument der »Wirtschaftspläne«. Sie sind den heutigen Flächennutzungsplänen vergleichbar und wurden in Zusammenarbeit mit den Bauverwaltungen der Kommunen aufgestellt. Sie legten verbindliche Nutzungsflächen für Wohnen, Industrie und Gewerbe, Verkehr und Erholung fest.
Einer der ersten Wirtschaftspläne wurde für die Gemeinde Marl entwickelt, die aufgrund der Nordwanderung des Bergbaus einen starken Zuwachs an Wohn- und Industriegebieten erwartete. Heute noch vollständig erhalten sind Rappaports umfangreiche Planungen für die »Stadtgestaltung Essen« von 1929. Sie enthalten neben detaillierten Regelungen zu Bauzonen und Grünflächen auch Konzepte für den Ausbau des Straßenbahnnetzes.
Neben den umfangreichen und detaillierten Wirtschaftsplänen wurden auch zusätzliche Überlegungen und Initiativen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse im Ruhrgebiet entwickelt. Ein Hauptaugenmerk galt der Optimierung von Verkehrsverbindungen. So wurde bereits in den 1920er Jahren die Rheinisch-Westfälische Schnellbahn von Köln nach Dortmund geplant, die unabhängig von den stark belasteten Reichsbahntrassen betrieben werden sollte. Zur Verwirklichung kam es allerdings nicht.
Auch Konzepte zum Bau von Überlandbahnen, welche die Industrieregionen im Norden mit den grünen Erholungsgebieten im Süden verbinden sollten, ließen sich – ebenso wie der geplante Flughafen in Bochum – wegen der sich zunehmend verschlechternden wirtschaftlichen Lage zu Beginn der 1930er Jahre letztlich nicht verwirklichen.